12 Dezember 2018
Lukas Werner, DH Student BWL Handel, berichtet über sein Theoriesemester in Shanghai.
Von Linsen und Spätzle zu Ente mit Reis: Sich bewusst aus der eigenen Komfortzone in den Kulturschock begeben und warum das Semester im Ausland gerade deshalb die beste Entscheidung war.
Die DHBW bietet jedem Studenten im Laufe des Studiums zahlreiche Möglichkeiten für Auslandsprogramme an. Das können Kompaktprogramme von ein- bis zwei Wochen bis hin zu ganzen Auslandssemestern über einen Zeitraum von sechs Monaten sein. Hierbei stehen zahlreiche Partneruniversitäten der DHBW von Europa über Amerika bis Asien zur Auswahl. Nachdem ich an den Kompaktprogrammen in Myanmar 2017 und Kuala Lumpur 2018 teilgenommen hatte, war ich mir sicher, dass auch ein Auslandssemester nicht fehlen darf. Ich wusste von Beginn an, dass ich mich möglichst weit aus der Komfortzone begeben möchte. Dazu bot sich mir Shanghai perfekt an: Mit über 24 Millionen Einwohner ist Shanghai eine der größten Megastädte der Welt. Sie befindet sich auf der anderen Seite der Erde in China, einem vom Staat kontrollierten Land, in dem kaum jemand Englisch spricht. Die perfekte Herausforderung für jemanden, der aus einem 1500 Einwohner Dorf kommt. Rutronik unterstützt seine Studenten großzügiger Weise bei solch einem Programm, um die hohen Kosten zu stemmen. Denn die Studiengebühren (ohne Stipendium) betragen knapp 2000 Euro, der Flug ca. 700-800 Euro und das Zimmer im Wohnheim etwa 1500 Euro. Das Semester ist somit nicht ganz billig, aber es ist jeden Cent wert!
Am 10. September startete das Semester an der Shanghai University. Die Vorlesungen wurden natürlich auf Englisch gehalten, auch wenn das der Dozenten nicht immer allzu verständlich war. Der Campus der Universität, auf dem sich auch das Studentenwohnheim für internationale Studenten befindet, liegt sehr zentral in Shanghai. So konnten wir unsere Freizeit nutzen, um die Stadt zu erkunden und Kontakte zu knüpfen. Dank dem sehr übersichtlichen und billigen Metro-System konnte man schnell und entspannt durch Shanghai fahren und immer neue Orte besuchen. Die Universität hat zusätzlich mehrere Ausflüge für uns organisiert: Wir besuchten die Freihandelszone an der Küste von Shanghai, einen Lebensmittelhersteller aber auch ein Städtetrip nach Suzhou und Hangzhou mit Übernachtung war dabei. Die restlichen freien Wochenenden konnten wir nutzen um Trips in die Wüste nahe der Mongolei, zur Chinesischen Mauer in Peking oder zum Wandern in den Bergen zu machen. Shanghai selbst hat mich vom ersten Tag an fasziniert. Das Gefühl vor der atemberaubenden Skyline zu stehen ist nicht in Worten zu beschreiben. In der Millionenstadt erkennt man auch schnell, dass es kaum etwas gibt, was es nicht gibt. Wir konnten jeden Tag wo anders essen gehen und es würde dennoch Jahre dauern, um alle Restaurants, Bars, Clubs oder Shoppingmalls gesehen zu haben. Es ist auch kaum möglich, in einem kurzen Bericht die Dinge widerzuspiegeln, die ich erleben durfte. Das Gerücht, dass in Shanghai kaum jemand Englisch spricht, kann ich nun auch bestätigen. Die meisten Chinesen können kein Englisch, was beispielsweise Essen bestellen meist eher zu einer Runde Tabu machte. Auch nach dem Weg fragen konnte man nicht einmal Polizisten. Nach einiger Zeit gewöhnt man sich jedoch daran und weiß, wie man am besten zurechtkommt. Hier ist der Kontakt zu den internationalen Studenten sehr hilfreich
Ein großes Highlight ist für mich die Digitalisierung der Chinesen. Da es völlig normal ist ausschließlich mit dem Smartphone mithilfe der App „WeChat“ zu bezahlen, hatte ich dementsprechend selbst auf dem Berggipfel beim Wandern noch 4G Netz und konnte mein Wasser kurz mit dem Handy bezahlen. Aber das ist lange nicht alles: Handytarife, Mietwagen, Flugbuchungen, Reservationen für Restaurants etc., ist alles in einer App vereint. In Deutschland ist das noch Zukunftsmusik und ist allein aufgrund der Datenschutzverordnungen schon ein schwieriges Thema. Die Sim-Karte kostete etwa 35 Euro und beinhaltete 20Gb 4G/LTE Datenvolumen pro Monat für 3 Monate.
Die Prüfungsleistungen wurden hauptsächlich über Präsentationen und Hausarbeiten abgenommen, in meinem Chinesisch Kurs wurde eine Klausur geschrieben. Die Dozenten sind sehr freundlich und hilfsbereit. Auch hier wurde schon in der ersten Woche klar, wie sehr China digitalisiert ist. Die Dozenten haben direkt für jeden Kurs eine WeChat-Gruppe erstellt und alle Informationen der Organisatoren kamen per App. Somit ist es auch für einen Dozenten nicht überraschend, wenn im 5. Stock der Universität ein Mitarbeiter eines Lieferdienstes an die Tür des Kursraumes klopft und Essen vorbei bringt. Ja, wir konnten uns per App Essen und Trinken innerhalb von 30 min. bis an die Tür des Kursraumes liefern! In Shanghai ist das völlig normal.
Was in Shanghai und China auch normal ist, ist die extreme Dichte an Kameras. Es war wirklich sehr gewöhnungsbedürftig, da es kaum eine Ecke gibt, in der keine Überwachungskamera zu finden war. Auch ist es normal, dass Verkehrskameras in Abständen von einigen hundert Metern jedes Auto abfotografieren, das vorbeifährt. Solange man sich natürlich an die rechtlichen Regeln hält, müssen einen die Kameras nicht interessieren. Nach einigen Wochen habe ich diese auch längst ausgeblendet. Einen Vorteil bietet die Überwachung jedoch: Sicherheit. Denn in Shanghai muss man sich kaum Sorgen um sich machen, egal zu welcher Zeit. Aufgrund der starken Überwachung sind Verbrechen eine Seltenheit.
Da das Studentenwohnheim nur aus internationalen Studenten bestand, lernte ich in meiner Zeit in China zahlreiche Studenten aus aller Welt kennen. Dank des Semesters habe ich nun Freunde in Amerika, Mexiko, Spanien, Frankreich, Niederlande, Schweden, Russland, Tadschikistan, Singapur, und vielen weiteren Ländern. Ich durfte von den verschiedenen Kulturen und Menschen lernen in einem voll digitalisierten Staat, in einer atemberaubenden Megacity. Alles in allem: Die beste Entscheidung meines Lebens. 谢谢! Danke!
Lukas Werner